Hat sich die wirtschaftliche Lage eines Unternehmens stark verschlechtert, kommen auf die Inhaber und Geschäftsführer unzählige Fragen zu, was nun zu machen ist. Bin ich verpflichtet Insolvenz anzumelden und wenn ja, wie mache ich das? Was passiert wenn ich meinen Antrag falsch formuliere? Werde ich durch die Insolvenz auf jeden Fall schuldenfrei?
Wer kann eine Firmeninsolvenz beantragen?
Eine Regelinsolvenz, so der juristisch korrekte Begriff für eine Firmeninsolvenz, können alle Kapitalgesellschaften (wie bspw. GmbH und AG), alle Personengesellschaften wie bspw. die oHG, GbR und KG, als auch aktive Einzelunternehmer und Freiberufler beantragen. Für ehemalige Selbständige kommt die Regelinsolvenz in Betracht, wenn sie mehr als 19 Gläubiger und/oder Schulden aus Lohnverhältnissen haben.
Antragsberechtigte sind bei Gesellschaften die Geschäftsführer, bei Personengesellschaften die persönliche haftenden Gesellschafter und bei Einzelunternehmen der Inhaber selber.
Antrag durch Gläubiger
Auch seitens der Gläubiger kann ein – so genannter – Fremdinsolvenzantrag gestellt werden. Natürlich muss der Antragsteller belegen können, dass der Schuldner zahlungsunfähig ist, was z.B. durch eine fruchtlos Pfändung oder auch durch Aussagen des Schuldners erfolgen kann.
Nach einem solchen Antrag ist unbedingt schnelles Handeln erforderlich. Als Geschäftsführer einer Gesellschaft geraten Sie ansonsten schnell in den Verdacht der Insolvenzverschleppung und können für einen Teil der Verbindlichkeiten persönlich haftbar gemacht werden und als Einzelunternehmer können Sie nur die Restschuldbefreiung erhalten, wenn Sie selber einen Insolvenzantrag stellen.
In der Regel stellen Gläubiger selten einen Antrag auf Fremdinsolvenz, sie scheuen die damit verbundenen Kosten und Aufwand, daher werden auch 90% aller Fremdinsolvenzanträge durch das Finanzamt und den Krankenkassen gestellt, haben Sie dort offene Verbindlichkeiten, ist also äußerste Vorsicht geboten.
Die Insolvenzgründe
Damit überhaupt ein Insolvenzantrag gestellt werden kann, muss ein Insolvenzgrund vorliegen. Es gibt deren drei:
Zahlungsunfähigkeit wird im Internet häufig so interpretiert, dass sie vorliegt, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist innerhalb von drei Wochen 90% seiner Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Dieses kann durchaus als Anhalt dienen, ist aber keine abschließendes Kriterium, vielmehr sind auch die Gesamtumstände der Situation zu betrachten. Anders ausgedrückt, erwartet der Schuldner eine an Sicherheit grenzende Zahlung nach vier Wochen, ist er natürlich auch nicht verpflichtet, einen Insolvenzantrag zustellen. Sobald man sich in einer wirtschaftlich schwierigen Situation befindet, sollte man sich einer gewissenhaften Finanzplanung bedienen, die (unter Umständen) taggenau die aktuelle Situation darstellt.
Die drohende Zahlungsunfähigkeit ist wohl der am wenigsten genutzte Insolvenzgrund. Er ist auch nicht verpflichtend und kann auch nicht von Gläubigern als Insolvenzgrund bei Fremdanträgen angeführt werden. Mit diesen Insolvenzgrund soll weit vorausschauenden Geschäftsleuten die Möglichkeit gegeben werden, sich frühzeitig um eine Sanierungsmöglichkeit Ihres Unternehmens zu kümmern. Zum 01.01.2021 wurde dem Paragraphen ein zunächst harmlos erscheinender Zusatz hinzugefügt:
…“In aller Regel ist ein Prognosezeitraum von 24 Monaten zugrunde zu legen.“… §18 InsO Nummer 2 Satz 2
Hier bleibt abzuwarten, wie der nun bestimmte Prognosezeitraum von 24 Monaten zukünftig interpretiert wird. Auch wenn die drohende Zahlungsunfähigkeit kein zwingender Insolvenzantragsgrund ist, wird sich sicher ein findiger Insolvenzverwalter finden, der bei einer fehlenden 24-Monatsprognose den Geschäftsführer haftbar machen will. Geschäftsführern und Vorständen ist daher durchaus anzuraten, die zukünftige Liquiditätsplanung für 24 Monate voraus zu machen, inwieweit dieses für alle Branchen sinnvoll und machbar ist, muss dann zunächst zurückstehen.
Überschuldung liegt – grob gesagt – vor, wenn die Verbindlichkeiten des Unternehmens das vorhandene Vermögen übersteigen. Aber auch hier hat der Gesetzgeber eine zeitliche Komponente eingebaut: Kann diese Überschuldung innerhalb der nächsten zwölf Monate geheilt werden, ist ein Antrag auf Insolvenz nicht zwingend notwendig. Auch hier erkennt man wieder, wie wichtig es sein kann, eine langfristige Finanzplanung im Unternehmen zu installieren.
Die Pflicht zur Insolvenzantragsstellung
Eine formale Pflicht zur Insolvenzantragsstellung gibt es nur für juristische Personen, also Gesellschaften, für die es keinen persönlich Haftenden gibt. Das wären GmbHs, Aktiengesellschaften, UGs, Ltds, Vereine, Genossenschaften und Stiftungen. Auch Kommanditgesellschaften und offene Handelsgesellschaften können darunter fallen, sofern der persönliche haftende Gesellschafter eine juristische Person ist, wie z.B. die GmbH & Co. KG.
Die Pflicht zur Antragsstellung auf Insolvenz tritt mit Vorliegen der Zahlungsunfähigkeit und/oder der Überschuldung ein.
Achtung: Die viel zitierte 3-Wochenfrist ist der maximale Zeitraum, den Sie für die Stellung des Insolvenzantrages Zeit haben. Sollte keine Aussicht auf Heilung des Insolvenzgrundes bestehen, ist der Antrag ohne weitere Verzögerung zu stellen.
Für Einzelunternehmer sowie Gesellschaften mit persönlich haftenden Gesellschaftern gibt es, wie schon erwähnt, keine Pflicht zur Insolvenzantragsstellung. Sie können sich daher auch nicht wegen Insolvenzverschleppung strafbar machen.
Was aber immer wieder unterschätzt wird, ist die Folge einer verspäteten Insolvenzantragsstellung bei Einzelunternehmern, die mit der Insolvenz das Ziel der Restschuldbefreiung verfolgen. Für Gläubiger gibt es nämlich durchaus die Möglichkeit einen Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung zu stellen, sofern der Schuldner einen Antrag verspätet stellt:
„(1) Die Restschuldbefreiung ist durch Beschluss zu versagen, wenn dies von einem Insolvenzgläubiger, der seine Forderung angemeldet hat, beantragt worden ist und wenn….…
4. der Schuldner in den letzten drei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorsätzlich oder grob fahrlässig die Befriedigung der Insolvenzgläubiger dadurch beeinträchtigt hat, dass er unangemessene Verbindlichkeiten begründet oder Vermögen verschwendet oder ohne Aussicht auf eine Besserung seiner wirtschaftlichen Lage die Eröffnung des Insolvenzverfahrens verzögert hat,“…. §290 InsO Absatz 1 Nummer 4
Dass es noch eine überschaubare Anzahl von Versagungsanträgen aus diesen Grund gibt, liegt wohl darin begründet, dass die Gläubiger keine wirkliche Kenntnis darüber haben. Der Gesetzgeber hat aber diesen Versagungsantrag mit Änderung der Insolvenzordnung im Jahr 2014 zusätzliches Gewicht gegeben, indem er den kritischen Zeitraum von einem Jahr auf drei Jahre vor Insolvenzantrag verlängert hat.
Folgen einer verspäteten Insolvenzantragsstellung
Für Geschäftsführer und Vorstände können die Folgen einer verspäteten Insolvenzantragsstellung gravierend sein. Zum einem macht sich der Verantwortliche wegen Insolvenzverschleppung strafbar ( §15a InsO) und zum anderen kann er (für einen Teil) der Verbindlichkeiten der Gesellschaft persönlich haftbar gemacht werden. Und wie weiter oben beschrieben besteht für Schuldner, welche die Restschuldbefreiung anstreben, die realistische Gefahr eines Versagungsantrages.
Vorläufiges Insolvenzverfahren
Der Zeitraum zwischen Antrag und Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird vorläufiges Insolvenzverfahren oder Insolvenzeröffnungsverfahren genannt. Dieses dient dazu zu prüfen ob
Um alle Umstände zu ermitteln bedient sich das Insolvenzgericht in alle Regel eines Sachverständigen, dieser arbeitet sich in die wirtschaftliche Situation des Schuldners ein und erstellt ein Gutachten. Zur Vermeidung der Verschlechterung der Vermögenslage des Schuldners können so genannte Sicherungsmaßnahmen getroffen werden:
Stellt sich bei Abschluss der Ermittlungen heraus, dass ein Insolvenzgrund vorliegt und die Kosten des Verfahrens gedeckt sind, wird das Gericht die Eröffnung des Verfahrens beschließen. Reicht die Insolvenzmasse (verfügbare Vermögen des Schuldners) nicht aus weist das Gericht den Insolvenzantrag mangels Masse ab ( § 26 InsO).
Eine Besonderheit stellen sowohl die vorläufige Eigenverwaltung sowie das Schutzschirmverfahren bei, welche wir in einen gesonderten Beitrag vorstellen.
Eröffnetes Insolvenzverfahren
Das Insolvenzverfahren wird per Beschluss minutengenau eröffnet. Es wird ein Insolvenzverwalter bestellt (i.d.R. der vorherige vorläufige Insolvenzverwalter), der fortan das Verwaltungs- und Verfügungsrecht an der Insolvenzmasse besitzt. Das Unternehmen wird zunächst weitergeführt und die Gläubiger aufgefordert ihre Forderung zur Insolvenztabelle anzumelden.
Achtung: Der Insolvenzverwalter ist nicht Ihr Berater, so kann es durchaus sein, dass seine Interessen entgegengesetzt zu Ihren verlaufen.
Der Insolvenzverwalter bemüht sich nun darum, die Insolvenzmasse soweit wie möglich zu vergrößern. Insbesondere bei Gesellschaften wird er einen genauen Blick auf bspw. die korrekte Einzahlung des Stammkapitals, den Zeitpunkt der Insolvenzantragspflicht prüfen und ggf. Geschäftsführer für eine verspätete Antragsstellung in Haftung nehmen. Regelmäßig werden auch zurückgeführte Gesellschafterdarlehen oder auch Gehaltsanzahlungen an die Geschäftsführer angefochten. Aber auch bei Einzelunternehmen wird er regelmäßig nach insolvenzrechtlich anfechtbaren Zahlungen fündig.
In der ersten Gläubigerversammlung, dem so genannten Berichtstermin, informiert der Insolvenzverwalter die Gläubigerversammlung über die wirtschaftliche Situation des Unternehmens. In überschaubare Verfahren wird das Gericht anordnen, dass das Verfahren schriftlich stattfindet, zudem wird es anordnen, dass der Prüftermin (an diesen werden die Anmeldungen der Gläubiger geprüft) zeitgleich abgehalten wird.
In diesem Termin wird auch festgelegt, wie es mit dem Unternehmen weitergehen soll. Die Gläubigerversammlung entscheidet über die Fortführung oder Stilllegung des Unternehmens. Sie kann auch den Insolvenzverwalter beauftragen einen Insolvenzplan zu erstellen. Gerade in kleineren Verfahren ist kaum ein Gläubiger beim Berichtstermin anwesend oder zeigt größeres Interesse, so entscheidet zumeist der Insolvenzverwalter über den weiteren Fortgang.
Im den allermeisten Fällen wird die Stilllegung des Unternehmens beschlossen. Dazu verwertet der Insolvenzverwalter alle Vermögensgegenstände des Unternehmens, zieht ggf. noch vorhandene Außenstände ein und verteilt den Erlös, nach Abzug der Verfahrenskosten, an die Gläubiger. Gerade mal in 1/3 aller Fälle erhalten die Gläubiger noch einen Teil Ihrer Forderungen, die durchschnittliche Quote aller Insolvenzen liegt bei ungefähr 5%. Bedeutet im Schnitt erhalten die Gläubiger von 100,00 € Forderung noch 5,00 €.
Nachdem der Insolvenzverwalter das Schlussverzeichnis erstellt hat, wird eine letzte Gläubigerversammlung anberaumt, der so genannte Schlusstermin. Das ist für alle Beteiligte die letzte Möglichkeit Einwende gegen das Schlussverzeichnis vorzubringen. Gibt es keine weiteren Einwände, schüttet der Insolvenzverwalter die Insolvenzmasse aus und das Gericht hebt das Insolvenzverfahren auf.
Nach dem Insolvenzverfahren
Nach Beendigung des Insolvenzverfahrens verliert der Insolvenzverwalter die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners. Gläubiger können nunmehr mit Hilfe des vollstreckbaren Auszug der Insolvenztabelle ihre Restforderung weiter geltend machen.
Juristische Personen werden i.d.R. nach Ende des Verfahrens wegen Vermögenslosigkeit aus dem Handelsregister gelöscht. Bei natürlichen Personen folgt in den meisten Fällen das Restschuldbefreiungsverfahren, über das wir in einen gesonderten Artikel informieren werden.
Besondere Verfahrensarten
Neben den „üblichen“ Insolvenzverfahren gibt es einige mögliche Abweichungen, auf die wir in Kürze extra eingehen werden: